Ästhetizismus
On Dezember 6, 2021 by adminÄsthetizismus, europäische Kunstbewegung des späten 19. Jahrhunderts, in deren Mittelpunkt die Lehre stand, dass Kunst allein um ihrer Schönheit willen existiert und keinem politischen, didaktischen oder sonstigen Zweck zu dienen braucht.
Die Bewegung entstand als Reaktion auf die vorherrschenden utilitaristischen Sozialphilosophien und auf das, was als Hässlichkeit und Philistertum des Industriezeitalters empfunden wurde. Ihre philosophischen Grundlagen wurden im 18. Jahrhundert von Immanuel Kant gelegt, der die Autonomie ästhetischer Normen postulierte und sie von Erwägungen der Moral, des Nutzens oder des Vergnügens abhob. Diese Idee wurde in Deutschland von J.W. von Goethe, J.L. Tieck und anderen und in England von Samuel Taylor Coleridge und Thomas Carlyle weitergeführt. In Frankreich wurde sie von Madame de Staël, Théophile Gautier und dem Philosophen Victor Cousin popularisiert, der 1818 den Ausdruck l’art pour l’art („Kunst um der Kunst willen“) prägte.
In England hatten die Künstler der Präraffaelitischen Bruderschaft ab 1848 die Saat des Ästhetizismus gesät, und die Werke von Dante Gabriel Rossetti, Edward Burne-Jones und Algernon Charles Swinburne verkörperten ihn, indem sie die Sehnsucht nach idealer Schönheit durch bewussten Mittelalterismus zum Ausdruck brachten. Auch in den Schriften von Oscar Wilde und Walter Pater sowie in den Illustrationen von Aubrey Beardsley in der Zeitschrift The Yellow Book finden sich die Haltungen der Bewegung wieder. Der Maler James McNeill Whistler brachte das Ideal der Bewegung von der Kultivierung einer verfeinerten Empfindsamkeit zu seinem vielleicht höchsten Punkt.
Zeitgenössische Kritiker des Ästhetizismus waren unter anderem William Morris und John Ruskin sowie in Russland Leo Tolstoi, der den Wert einer von der Moral losgelösten Kunst in Frage stellte. Die Bewegung lenkte jedoch die Aufmerksamkeit auf die formale Ästhetik der Kunst und trug zur Kunstkritik von Roger Fry und Bernard Berenson bei. Der Ästhetizismus teilte gewisse Affinitäten mit der französischen symbolistischen Bewegung, förderte die Arts-and-Crafts-Bewegung und unterstützte den Jugendstil.
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